Wissenschaftsmanagement in der Hochschulpraxis – Anwendungsbereiche und Herausforderungen für moderne Wissenschaftsgestalter:innen

Die Professionalisierung des Managements im Wissenschaftssektor nimmt Formen an:

Unternehmen leisten sich Forschungsabteilungen und besetzen diese mit hochrangigen Wissenschaftler:innen. Der Staat setzt bei der Wissenschaftsförderung auf spezialisierte Verfahren, die von Expert:innen durchgeführt werden. Und die Hochschulen bilden Graduate Center, internationale Forschungscluster und Stabsstellen neben der eigentlichen – rein administrativ arbeitenden – Verwaltung aus. Ein modernes Wissenschaftsmanagement gilt heute als ein zentraler Baustein hin zur weiteren Professionalisierung der Wissenschaft. Längst nicht mehr wollen Professor:innen ihre Studiengänge „nebenbei“ weiterentwickeln, können Zulassungsstellen ein professionelles Studierendenmarketing aufsetzen oder haben Öffentlichkeitsbüros die Kompetenz, eine übergreifende Vernetzungsstrategie umzusetzen. Auch in den F&E-Abteilungen von Unternehmen sind nicht dieselben Personen für die Verwertung, die Vermarktung oder die Vernetzung des Erforschten zuständig, die dieses entwickelt haben.

Wissenschaft und Management? Zwei Seiten einer neuen Profession!

Die Rede ist von Wissenschaftsmanager:innen, die sowohl wissenschaftliche Zugänge verstehen als auch Management-Fertigkeiten besitzen. Oft sitzen diese Personen an Schalt- und Schnittstellen der Organisation, leiten Stabstellen, koordinieren Forschungsverbünde oder haben eine Kommunikationsfunktion zwischen unterschiedlichen Ebenen wie etwa der Hochschulleitung und Fakultäten oder einer ausgegliederten Universitäts-GmbH und der Wirtschaft inne. Neben der Interdisziplinarität sind Führungsstärke und strategisches Denken ebenso zentrale Anforderungen an solche Positionen wie Agilität und Digitalisierung, um im modernen und kompetitiven Wissenschaftskontext erfolgreich zu sein.

Das Wissenschaftsmanagement als Profession formt sich zwar in der Wissenschaftspraxis stetig weiter aus, ist jedoch noch unklar und gilt als in der Einordnung umstritten. Außer vereinzelter Fortbildungen und Inhouse-Programme gibt es keine standardisierte Ausbildung oder einen idealtypischen Zugang zu diesem vergleichsweisen neuen, höchst aktuellen Berufsbild.

 

Wissenschaftsmanagement und „Third Space“ – alter Wein in neuen Schläuchen?

Wissenschaft + Management = Wissenschaftsmanagement? “Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile!”

Der Strukturwandel der Hochschule vom alten Kollegialmodell (Selbstverwaltung) zum modernen Managementmodell (New Public Management) schreitet voran. Ein neuer, dritter Raum neben der klassischen, bipolaren Binnenordnung an Hochschulen, der funktional weder allein dem Kernbereich von Wissenschaft noch der klassischen Verwaltung zuzuordnen ist, bildet sich aus. Organisatorisch und rechtlich werden die Stellen des Wissenschaftsmanagement meist der Verwaltung zugeordnet, jedoch oft nicht systematisch geplant oder organisationstheoretisch durchstrukturiert. Vielmehr wächst aus spezialisierten Aufgaben und Anforderungen heraus eine heterogene Mitarbeiter:innen-Gruppe („New Professionals“) heran. Seit dem relativ neuen Akkreditierungswesen schießen Stellen für Spezialist:innen aus dem Boden, die sich mit dieser hochkomplexen Fachmaterie und der Kommunikation etwa mit Akkreditierungsagenturen und den dazugehörigen -prozessen befassen. Seit Wissenschaftler:innen fehlende Ausstattungen an Unis einklagen, Bewerber:innen gegen intransparente Studienplatzvergaben vorgehen oder Studierende gegen schlechte Abschlussnoten vor Gericht ziehen, leisten Studien- und Prüfungrechtler:innen das, was die allgemeine Rechtsabteilung der Hochschule nicht vermag. Seit viele Hochschulen den Mehrwert strukturierter Doktoratsprogramme und -kollegs von anglo-amerikanischen Doctoral Schools übernommen haben, werden diese von topqualifizierten Post-Docs geleitet, die wissen, was die Prä-Docs in dieser Phase an Struktur, Weiterbildung und Vernetzung benötigen. Und seitdem der Wettbewerb um die besten Professor:innen härter geworden ist, werden Onboarding-Programme für Tenure Tracks und Junior-Professor:innen entworfen und koordiniert, was oft weit über die normale Arbeit der Personalentwicklung hinausgeht.

Nach dem Positionspapier des Netzwerks Wissenschaftsmanagement (Wissenschaftsmanagement als Grundlage für strategisches Planen, Handeln und Führen in wissenschaftlichen Einrichtungen 2020, Seite 02) lässt sich „… das Wissenschaftsmanagement am besten tätigkeits- und aufgabenbezogen definieren und eingrenzen (…).” Sicherlich hat sich auch die reguläre Hochschulverwaltung nicht erst seit Max Weber stets weiter spezialisiert, ist mit dem komplexer werdenden Bildungssektor mitgegangen und an ihm gewachsen. Aber das Neue ist hier nicht nur die fachliche Spezialisierung - Sie ist allenfalls der Anlass. Nach dem deutschen Wissenschaftsrat (Empfehlungen zur Hochschulgovernance 2018, Seite 85 in FN 103) bezieht sich das Wissenschaftsmanagement auf Personen, „… welche den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unterstützende Dienstleistungen zur Verfügung stellen, dabei aber über eine wissenschaftliche Ausbildung und teilweise auch selbst über einschlägige Erfahrungen in Forschung und Lehre verfügen.“

Wissenschaftsmanagener:innen kennen und verstehen beide Welten!

Danach zeichnet sich Wisssenschaftsmanagement nicht dadurch aus, dass man Wissenschaft versteht, was letztlich alle aus der Hochschulverwaltung müssen, um mit Wissensschaftler:innen sinnvoll zusammenarbeiten zu können. Wissenschaftsmanager:innen sind als Akademiker:innen selbst diesen Weg gegangen, der mehr ist als eine bestimmte Ausbildung oder Jobfertigkeiten. Ferner entstammen viele selbst der Wissenschaft, was sich in in der Hochschulpraxis oft an eine kurze Post-Doc-Phase knüpft, wenn man die streng-wissenschaftliche Laufbahn dann als persönlichen Karrierepfad ausschließt. Aber auch bei vielen Wissenschaftler:innen gegen Ende ihrer Laufbahn sehen wir zunehmend eine Orientierung hin zum Wissenschaftsmanagement, wenn diese am wissenschaftlichen Zenit angekommen sind und vermehrt Selbstverwaltungsaufgaben wie etwa in der Hochschulleitung oder in größeren Veränderungsprojekten übernehmen und über diesen Weg in das permanente Wissenschaftsmanagement finden.

Doch was leistet ein professionelles Wissenschaftsmanagement spezifisch, was Wissenschaft und Verwaltung bislang nicht tun oder in Zukunft nicht mehr können?

Wissenschafstmanager:innen - im “Dazwischen” zuhause!

  1. Expert:innen-Rolle an der Schnittstelle von Qualitäts-, Projekt- und Kommunikationsmanagement: Wissenschaftsmanagement in oben verstandenem Sinne ist nie nur fachliche Spezialisierung, sondern immer auch im generalistisch-interdisziplinären Zusammendenken zuhause. Erfolgreiche Berufungsmanager:innen beispielsweise müssen nicht nur das universitäre Dienst- und Besoldungsrecht kennen, sondern auch hochschulpolitische Situationen einschätzen, mit der aktuellen Senatszusammensetzung umgehen können und den außeruniversitären Arbeitsmarkt im Auge haben. Und Fakultätsgeschäftführer:innen sind nicht nur Fachleute für Budgetierung und Personalrecht, sondern vertreten ihre Organisationseinheit hochschulintern und repräsentieren diese nach außen.

  2. Beratungsfunktion von Hochschul- und Fachbereichsleitungen sowie Entlastung insbesondere der Gremien: Selbstverwaltungsaufgaben werden von vielen Wissenschaftler:innen als Last empfunden, kostet dies doch (selten honorierte) Ressourcen. Welche:r neuberufene W2-Professor:inen freut sich schon, gleich im zweiten Jahr zum Pro-Dekan gemacht zu werden und ins kalte Wasser zu tauchen? Und wem geht das wissenschaftliche Herz dabei auf, wenn er bzw. sie in Ausschreibungstexten für Professuren den kleinen Standardsatz “Beteiligung an der akademischen Selbstverwaltung erwünscht” liest? Das Wissenschaftsmanagement hat hier eine (noch weithin vernachlässigte) Entlastungsfunktion. Gerade über eine unabhängigere (weil nicht auf Funktionsperioden beschränkte) Beratung kann eine solche wirken.

  3. Vermittlerfunktion zwischen Wissenschaft und Verwaltung: Wissenschaftsmanagement hilft gerade die Brücke zu schlagen zwischen den oft unterschiedlichen Funktionslogiken gehorchenden zwei Säulen der Hochschulen, da Wissenschaftsmanager:innen in beiden Metiers zuhause sind.

  4. Motor für Erneuerungen aufgrund hohen Informationsvorsprungs: Wissenschaftsmanager:innen stehen oft an der Speerspitze von Innovation und von treibender Veränderung. Sie fungieren z. B. als Change Agents oder Change Ambassadors innerhalb der Hochschule oder ihrer Organisationseinheit. Dabei hilft den Wissenschaftsmanager:innen nicht nur ihre exponierte Schnittstelle, sondern der schnellere Zugriff auf Kommunikationskanäle und die Möglichkeit zum Agenda-Setting wie zum (Re-) Framing aktueller Themen oft an der Spitze der Organisationseinheit.

  5. Längerfristig strategisches „Big-Picture-Denken“ statt auf befristete Funktionsperioden oder Partikularinteressen ausgerichtet bleiben: Letztlich ergibt sich aus oben Genanntem, dass Wissenschaftsmanagement Führung ist. Anders als Wissenschaftler:innen bekleiden Wissenschaftsmanager:innen keine unerwünschte und deswegen befristete Stelle der akademischen Selbstverwaltung. Auch sollten sie sich nicht als Teil einer einzelnen hochschulischen Organisationseinheit verstehen, mögen sie dieser auch organisatorisch zugeordnet sein. Eine Prüfungsamtsleitung etwa sollte sich mit allen Prüfungsämter aller Fachbereiche vernetzen, um das Hochschulprüfungswesen insgesamt zu verbessern. Und einer Stabsstelle für Studierendenkommunikation sollte daran gelegen sein, nicht nur selbst gut ausgestattet zu werden, sondern alle wesentlich mit diesem Thema befassten Stellen zu empowern.

 

Herausforderungen für das Wissenschaftsmanagement

Wissenschaftsmanagement: Die Herausforderungen in der Hochschulpraxis sind enorm - die Potentiale auch!

Liegt im Wissenschaftsmanagement die Zukunft der Hochschule? Einige Autor:innen schreiben es so. Die potenziellen Mitarbeiter:innen denken hingegen nicht alle so. Das mag mit der allgemein hohen Veränderungsresistenz des Hochschulraums und seiner Belegschaft zusammenhängen. Und auch damit, dass ein dritter Raum (Third Space) ohne tragfähige Verankerung in einem solch normativ ausdifferenzierten System um Anerkennung zu kämpfen hat.

Zufälligkeiten bei mancher Stellenbesetzung, unstimmige Rollenzuschreibungen sowie Eindimensionalität und Undurchlässigkeit von Karrierewegen machen solche Positionen oftmals ebenso wenig attraktiv wie karge Ausstattungen z. B. ohne benötigte Führungs- und Entscheidungsbefugnisse. Stattdessen wird die Funktion von Wissenschaftsmanager:innen oft durch befristete Wissenschaftsstellen zweckentfremdet wahrgenommen mangels zur Verfügung stehender Planstellen, und interne Weiterbildungen speziell für diese Personengruppe finden sich selten. An ausdefinierten Karrierewegen mangelt es oft gleichsam wie an der Durchlässigkeit: Hat man sich einmal für diesen Weg entschieden, gelangt man von der Wissenschaft in das Wissenschaftsmanagement, selten aber wieder zurück - obwohl gerade dies befruchtend für die Organisation sein könnte. Mithin gelten Karrierewege und Qualifikationsanforderungen im Wissenschaftsmanagement bislang als noch wenig erforschtes Terrain.

Wissenschaftsmanager:innen - als Spezialist:innen eingruppiert, als innovative Vermittler:innen mit Change- und Führungskompetenz gebraucht!

Von Seiten der Hochschule sind konkrete Erwartungen an das Wissenschaftsmanagement häufig unklar, was man nicht nur am Textduktus von vielen (auf die klassische Hochschulbürokratie zugeschnittenen) Stellenausschreibungen merkt. Die Stellenbezeichnung schmückt sich dann gerne mit schwammigen Attributen wie “Koordinator:in” oder “Assistenz”, statt auch innerhalb des Systems zu artikulieren, was diese (oftmals neue) Position leistet, wie sie ins Gefüge passt und was sie auch von den anderen an Zusammenarbeit erwartet.

Hinzu kommt Altbekanntes, wie dass der Wissenschaftsbetrieb eher auf Forschungsdisziplinen ausgerichtet ist, statt auf komplexe Schnittstellenfunktionen einer Expert:innen-Organisation und eine statusgruppenorientierte Governancestruktur stark gremienbasierte Entscheidungsprozesse verfolgt anstatt einer Management-Logik folgt.

Hier liegt viel an Potential, aber auch an Organisationsentwicklung, die noch zu bewältigen ist. Benötigen Sie Unterstützung beim Ausgestalten Ihres Wissenschaftsmanagements? Oder wollen Sie die Möglichkeiten Ihrer Wissenschaftsmanager:innen voll ausschöpfen? Greifen Sie auf unsere Expertise zurück, die wir gerne zur Verfügung stellen. Entwickeln Sie mit uns zusammen eine speziell zugeschnittene Inhouse-Weiterbildung dazu, profitieren Sie von unseren Lehrerfahrungen in diesem Bereich oder buchen Sie einen unserer Workshops zum Thema!

 

René Merten, Trainer und Senior Partner - Sie haben Fragen, Ideen oder Feedback? Lassen Sie uns in Kontakt treten - Ich freue mich!