Storytelling im Hochschulmanagement: Wie Sie Ihr Projekt erklären, andere zur Mitwirkung motivieren und Unterstützung für Ihr Projekt gewinnen!

Meine Erfahrung aus über 500 begleiteten Projekten im Hochschulkontext sagt mir: Projekte scheitern nicht, weil sie nicht möglich sind. Sie scheitern an unklaren Zielen, schlechter Planung und fehlender Unterstützung. 

In diesem Artikel zeige ich Ihnen, wie Sie Storytelling nutzen können, Ihr Projekt zu erklären, andere zur Mitwirkung zu motivieren und Unterstützung für Ihr Veränderungsprojekt zu gewinnen!

Der Ausgangspunkt: Das veraltete Campusmanagement-System der Süddeutschen Hochschule für Angewandte Forschung*

Als Claudia Müller* im Jahr 2023 ihre Position als Koordinatorin für Digitalisierungsprojekte an der Süddeutschen Hochschule für Angewandte Forschung (*beide Namen anonymisiert) antrat, stand sie vor einer erheblichen Herausforderung: 

Das veraltete Campusmanagement-System HIS GX sollte endgültig außer Betrieb genommen werden und durch das neue System HISinOne ersetzt werden. Zu diesem Zeitpunkt waren die Fakultäten lediglich darüber informiert, dass im Jahr 2024 das letzte Modul des Systems, HIS-in-One EXA, eingeführt werden sollte. Allerdings wurde bisher nicht kommuniziert, dass dieser Zieltermin nicht zu halten ist und dass sich außerdem bestimmte Prozesse verändern werden müssten und dass während der Migrationsphase kein Zugriff auf das System möglich sein würde.

Im Jahr zuvor hatte ein einzelner Mitarbeiter begonnen, die Migration der großen Anzahl aktueller Studienordnungen anzugehen, jedoch noch keinen einzigen abgeschlossen. Gleichzeitig erarbeiteten die Fakultäten kontinuierlich neue Studiengänge und Prüfungsordnungen. 

Claudia Müller erkannte rasch, dass der vorgegebene Termin nicht realisierbar war und dass die Migration ohne aktive Mitarbeit und zusätzliche Ressourcen aus den Fakultäten nicht durchführbar sein würde.

Die Herausforderung bestand nun darin, das Verständnis der Fakultäten für eine verlängerte Zeitspanne des Prozesses zu gewinnen und sie davon zu überzeugen, aktiv an der Umsetzung mitzuwirken. In einem Coaching-Gespräch entwickelten wir zusammen eine Projektstory.

Mit der Heldenreise die Geschichte des eigenen Projekts erzählen:

Storytelling ist die Kunst und Technik des Geschichtenerzählens. Geschichten haben Protagonisten. Sie folgen einer bestimmten Struktur, beinhalten einen Konflikt, eine Entwicklung und schließlich eine Lösung. Diese Struktur ruft Emotionen hervor und schafft Identifikation und Bedeutsamkeit. 

Die “Urgeschichte” aller guten Geschichten ist dabei die sog. “Heldenreise” in 12 Stationen:

Reproduktion mit freundlicher Genehmigung von Geraldine Schüle

Bildcredits: Reproduktion mit freundlicher Genehmigung von Geraldine Schüle (www.geraldine-schuele.com).


Gemeinsam mit Claudia nutzten wir diese Struktur nun dafür, eine Projektgeschichte über eine Veränderung an der Hochschule zu erzählen. 

Im Fall der Süddeutschen Hochschule könnte diese “Change Story” so aussehen:

1. Beschreibe den Ausgangspunkt deines Projekts. Was war die Situation, bevor das Projekt begann? Was waren die bestehenden Herausforderungen oder Probleme, die es zu lösen galt?

Das veraltete Campusmanagement-System:

  • 12 Leute im Studien- und Prüfungsamt kämpfen Tag für Tag mit dem alten System. Es ist nicht möglich, Daten über Prüfungen, Noten, Zeugnisse, Abschlussdokumente, Kursanmeldungen oder die Raumplanungen einfach und auf einen Blick einzusehen. 

  • Für die Dekane ist es unmöglich, Lehrdeputate zu berechnen. Die Prüfungsplanung wird mit Excel-listen geführt. Prüfungskommissionen ersticken in Papieranträgen und Protokollen. Jede Nachfrage nach Noten und Änderungen muss aufwendig recherchiert werden.

  • Alles ist verbunden mit einer Anfrage beim Prüfungsamt. Doch das Prüfungsamt alleine kann die Daten ohne Programmierkenntnisse ebenfalls nicht abrufen und muss sich an das (ohnehin mit Anfragen überflutete) Rechenzentrum wenden.

  • Die ganze Hochschule erstickt in frustrierender und vollkommen unwesentlicher Verwaltungsarbeit. In den Fakultäten türmen sich die Papierberge. Jeder Verwaltungsakt sorgt für Frust. 

    Die Folge: 

  • Es wächst der Unmut zwischen Wissenschaft und Verwaltung, gegenseitige Schuldzuweisungen sind gang und gäbe. Einige Fakultäten haben begonnen, sich Insellösungen zu schaffen. 

  • Im Prüfungsamt kündigen die Mitarbeitenden. 

  • Die Verwaltung und die Fakultäten liegen im Krieg


2. Welche Chance oder Herausforderung trat auf, die eine Veränderung an der Hochschule erforderlich machte? Wer ist der Schurke/die Zwangslage? Was war letztlich der Auslöser, der das Projekt ins Rollen brachte?

Die Unzufriedenheit existierte nicht erst seit gestern. Doch die verantwortlichen Personen (Der damalige Kanzler und die zuständige Dezernentin) haben sich schlicht nicht darum gekümmert. 

Dann kündigte die HIS eG an, das alte System nicht mehr zu unterstützen. Es war klar: Jetzt muss etwas geschehen!


3. Wie reagierten die Beteiligten anfangs auf den Ruf des Abenteuers? Gab es Widerstand oder Zweifel? Warum waren sie vielleicht zögerlich, die Veränderung anzunehmen?

Leider wurde mit dieser Ankündigung zunächst so umgegangen, wie das in Hochschulen oft geschieht: Im April 2022 wurde eine Person abgestellt, die sich des Problems annehmen sollte. Diese Person war weder im Projektmanagement hinreichend qualifiziert, noch konnte sie sich alleine auf das Projekt konzentrieren und wurde stattdessen immer wieder anderweitig eingebunden.


4. Wer oder was trat als MentorIn auf, um das Projektteam und die Verantwortlichen zu unterstützen und ihnen bei der Bewältigung der Herausforderungen zu helfen? Wie half er/sie doch loszugehen?

Der Wendepunkt geschah, als der neue Kanzler sich dem Problem zuwandte und erkannte, welche Herausforderung die Umstellung darstellte. 

Diese, sowie die neue Leiterin der Hochschul-IT, unterstützte Claudia Müller, dabei, das Projekt vom Kopf auf die Füße zu stellen.


5. Beschreibe den Moment, in ihr euch dazu entschieden habt, die bisherige Situation zu verlassen und sich auf die Veränderung einzulassen. Welche Hindernisse oder Veränderungen mussten überwunden werden, um loszugehen?

Als Claudia Müller und der neue Kanzler realisierten, dass das Projekt mit den vorhandenen Ressourcen nicht bis April 2024 zu schaffen war, war klar: Es muss etwas geschehen!


6. Was waren die ersten Herausforderungen, mit denen ihr im Wandel konfrontiert ward? Welche Verbündeten oder Unterstützer traten auf und begleiteten euch auf eurer Reise der Veränderung?

Erste Probe: 

Damit das Projekt Erfolg haben könnte, bräuchte es einen sauber ausgearbeiteten Projektplan. 

Vor allem aber bräuchte es die Unterstützung in den Fakultäten, die Bereitschaft, aktiv mitzuarbeiten und zu akzeptieren, dass Prozesse sich ändern. Es bräuchte Ehrlichkeit und das Eingeständnis, dass es nicht bis April 2024 klappen würde, das System zu wechseln. 

Aus jeder Fakultät bräuchte es außerdem Mitarbeitende, die neuen Prozesse gestalten würden und zwar Prüfungsplaner, Prüfungskommissionsmitglieder sowie Praktikumsbetreuer. 

Zuletzt würde es eine Pause brauchen, während der es hochschulweit keine neuen Prüfungsordnungen geben könnte, keine Extra-Wahlfächer gewählt werden und keine Noten eingetragen werden könnten. 

Verbündete:

Immerhin: Einzelne Dekane, die Leiterin des Rechenzentrums, der Kanzler sowie die Präsidentin und das Präsidium standen hinter ihr.


7. Beschreibe den schwierigsten Moment im Verlauf des Veränderungsprozesses. Was war der Wendepunkt oder die größte Herausforderung, die die Hochschule überwinden musste? Wie haben sie sich gefühlt und wie haben sie darauf reagiert?

Aber ob die Fakultäten sie unterstützen würden, war vollkommen offen. 

Einige hatten bereits begonnen, Parallelsysteme einzurichten, weil sie nicht mehr auf die zentrale Verwaltung warten wollten. 

Nur eines war klar: 

Wenn die Fakultäten sie nicht unterstützen würden, dann 

  • würde die Prüfungsverwaltung zusammenbrechen

  • wäre eine zentrale Notenanmeldung nicht mehr möglich

  • gäbe es keine weitere Digitalisierung der Anträge

  • müsste jede Fakultät sich selbst verwalten - mit eigenen Systemen oder Papier und Stift - ein Albtraumszenario der Ineffizienz


8. Welche Belohnungen, Erfolge oder Erkenntnisse erlangte die Hochschule durch die Bewältigung der Herausforderungen und die Umsetzung der Veränderung? Was war der Wendepunkt, der neue Möglichkeiten oder Perspektiven eröffnete?

Doch Claudia war optimistisch, dass sich die Fakultäten überzeugen lassen würden. Denn wenn das Projekt erfolgreich abgeschlossen werden würde, würde die Lage für alle an der Hochschule leichter: 

  • Studierende hätten einen viel besseren Service (Prüfungsanmeldung einfacher, Prüfungen können auf einen Blick gesehen werden, Übersicht über Antragsstatus, klare Abläufe, besserer Überblick über Noten und Prüfungsordnungen)

  • Mitarbeitende würden viel produktiver werden (Keine selbst programmierten Hilfsprogramme, eigenen Excellisten mehr nötig, weniger Komplexität der Prozesse (klare Beschreibungen und Abläufe, schlankere Prozesse, weniger Systemausfälle, keine Dritttools mehr)

  • Die Fakultäten hätten endlich alle benötigten Informationen in einem System und Prüfungskommissionen, Sachbearbeitungen, und Prüfungsplaner würden enorme Aufwände einsparen.


9.

Ist im Projektkontext meist nicht relevant.


10. Beschreibe, wie sich die Hochschule im Verlauf der Veränderung transformiert hat. Welche neuen Fähigkeiten, Erkenntnisse oder Einsichten hat sie gewonnen?

Durch den erfolgreichen Abschluss des Projekts hätten Mitarbeitende endlich Zeit, andere Baustellen anzugehen, wie: 

  • Online-Antragswesen

  • Schnellere Abläufe

  • Lehrdeputatsrechnung

  • Raumplanung

  • Veranstaltungsmanagement

Die Hochschule könnte stolz auf sich sein! Denn sie hätte gezeigt, alle an einem Strang ziehen können und könnte ein Beispiel sein für andere Hochschulen im Land.

Fazit: So können Sie Storytelling für Ihr Projekt nutzen

Menschen nehmen Geschichten anders auf als Zahlen, Fakten und Daten. Eine klar strukturierte Projektgeschichte hilft dabei, komplexe Informationen und Projektziele auf eine eingängige Weise zu vermitteln und von der Notwendigkeit des Projekts überzeugen. Gut erzählte Geschichten bleiben in Erinnerung. 

Am obigen Beispiel können Sie sehen, wie die Struktur der Heldenreise uns helfen kann, Emotionen für Ihr Projekt zu wecken. Eine Geschichte mit einer Bedrohung, mit Helden, Unterstützern und Wendepunkten löst Emotionen aus und kann den Zusammenhalt, das Engagement und die Motivation aller Beteiligten steigern. 

Gerne können Sie die oben beschriebene Struktur für sich und Ihr Projekt nutzen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg mit Ihrem Vorhaben!

Haben Sie Fragen oder wünschen sich Unterstützung für Ihr Projekt? Schreiben Sie mir eine Nachricht!

Ihr Lukas Bischof


Dr. Lukas Bischof ist Gründer und Vorstand der Lukas Bischof Hochschulberatung AG. Seit 2013 hat er als Trainer, Berater und Coach unzählige Projektmanager:innen im Hochschulkontext begleitet. In seinen Seminaren, Trainings, Workshops und Coachings unterstützt er Führungskräfte an Hochschulen dabei, ihre Visionen, Ziele und Projekte Wirklichkeit werden zu lassen und hilft dabei, vorhandene Ressourcen zu aktivieren, neue Möglichkeiten zu erkennen und ihre Kompetenzen weiterzuentwickeln.